Integrative psychische Gesundheit
Stefan Bogdanov
Wir sind heute Zeugen einer Explosion von psychischen Störungen wie Depression, bipolare- und Angststörungen, Autismus, Psychose, Schizophrenie, Panikattacken, ADHS, PTSD usw.
Laut Statistiken im Deutschen Aerzteblatt von 2013 sind ein Drittel aller deutschen Bürger von einer psychischen Störung betroffen. Andere Zahlen aus 2020 sprechen von 25 % Betroffenen. Auf der anderen Seite gibt es schon tausende Publikationen, die über eine Verbindung zwischen gesundem Lebensstil und psychischer Gesundheit berichten.
Die heutige Psychiatrie stützt sich vor allem auf die Anwendung von Psychopharmaka. Diese unterdrücken die Symptome der psychischen Erkrankung, aber nur zum Preis von gesundheitsschädlichen Nebenwirkungen. Forschungsergebnisse zeigen z.B., dass Psychopharmaka häufig nicht erfolgreich sind bei der Behandlung von mittleren und schweren Depressionen.
Die Psychotherapie therapiert vor allem die psycho-sozialen Ursachen für die psychische Störung. Falls die Ursachen für die psychische Störung (Depression, Burn-out, Ängste, Schlafprobleme, Überforderung, Stress) im somatischen Bereich liegen kann die Psychotherapie allein nicht erfolgreich sein.
Die integrative Psychiatrie versucht die Wurzelursachen für die psychische Störung herauszufinden und zu behandeln. Dabei wird die ganzheitliche Methode der integrativen funktionellen Medizin (IFM) angewendet.
Die Faktoren für die psychische Gesundheit
Normalerweise spricht man von psychosomatischen Störungen, z.B. bei können bei einer Störung im psychosozialen Bereich körperliche Störungen entstehen. Aber es gilt auch umgekehrt: somatische Veränderungen können psychische Symptome hervorrufen. In der sogenannten Geist-Körper Matrix der Funktinellen Medizin sind alle psychische und körperliche Faktoren miteinander verbunden, siehe Link
Die psychische Gesundheit kann von einer Vielzahl Risikofaktoren beeinfluss werden:
Psychische Faktoren
Körper-bedingte Faktoren
Wie aus der obigen Zusammenstellung ersichtlich ist, ist ein grosser Teil der Faktoren für die psychische Gesundheit körperlichen Ursprungs. Die Bedeutung der Risikofaktoren für die psychische Gesundheit ist individuell verschieden: bei manchen Individuen sind nur ein oder zwei Faktoren bei anderen sind eine Vielzahl davon beteiligt. Dafür braucht man die Mittel der integrativen Psychiatrie und der integrativen Funktionellen Medizin.
Genetische Faktoren, Geschlecht und Alter
Epigenetik
Bei den genetischen Faktoren handelt es nur um epigenetischen Veränderungen des Genoms. Die Bestimmung dieser Risiko-Genen spielt eine wichtige Rolle für die Abklärung des individuellen Risikos. Diese Faktoren sind beinflussbar durch Lebensstilveränderungen. Die Nutrigenomik ist die Wissenschaft des Einflusses der Ernährung auf die epigenetische Beschaffung.
Geschlecht
Bei den meisten psychischen Störungen sind Frauen und Männer gleich stark betroffen. Frauen sind bedeutend stärker von Depressionen betroffen als Männer. Dies wird in erster Linie auf die spezifischen Hormone der Frauen zurückzuführen.
Alter
Auch das Alter spielt eine Rolle. Die psychische Gesundheit, im Gegensatz zu der körperlichen Befindlichkeit, nimmt mit dem Alter zu.
Die Darm-Gehirn Verbindung, GAPS Syndrom
Schon Hippocrates sagte „Du bist was du isst“. Wir wissen heute: Das Essen hat einen sehr grossen Einfluss auf die psychische Gesundheit.
Der Darm ist wie ein zweites Gehirn. Er ist ganz umwoben von Nerven. Anatomisch verbindet der
Vagus-Nerv Darm und Gehirn. Das heisst, dass der Darm einen direkten Einfluss auf die Hirntätigkeit hat, aber auch umgekehrt, das Hirn kommuniziert ständig mit dem Darm! 90 % des Serotonins (das
Glückshormon) und insgesamt 30 verschiedene Neurotransmitter werden im Darm produziert.
Der Begriff GAPS-Syndrom, Gut (Darm) And Psycholgy Syndrom ist der Überbegriff für den Zusammenhang zwischen psychologischen Störungen wie Autismus, ADHS, Schizophrenie, Depression und Bipolarität, und der Darmgesundheit. In einem GAPS Darm ist das Gleichgewicht zwischen den Bakterien gestört, es gibt mehr schädliche und weniger nützliche Bakterien. Dazu ist der Darmepithel oft beschädigt, im Extremfall entsteht Leaky Gut (durchlässiger Darm): Giftstoffe können die Darmwand passieren und im Körperinneren und im Gehirn Schäden einrichten. Es resultiert eine psychische Störung. Eine Mikrobiomanalyse gibt Auskunft über das Vorhandensein von nützlichen und schädlichen Bakterien und über die Darmgesundheit. Auf Grund der Resultate können Massnahmen für die Wiederherstellung der Mikrobiom-Gesundheit ergriffen werden.
Entzündungen, Psychoneuroimmunologie und psychische Gesundheit
Die Psychoneuroimmunologie beschäftigt sich mit der Wechselwirkung zwischen der Psyche und dem Immunsystem. Bei gestörtem Gleichgewicht zwischen den beiden entstehen chronische organische und psychische Krankheiten. Durch chronischen Stress und GAPS wird das Immunsystem geschwächt, was Entzündungen begünstigt. Entzündungen verursachen chronische Krankheiten wie Herzerkrankungen, Krebs und Autoimmun-Erkrankungen, aber auch Depressionen, bipolare- und Angststörungen, ADHD usw.
Infekte, Toxine, Vergiftungen
Infekte wie Viren, Bakterien (z.B. Borrelien), Toxine aus Pilzen (Schimmelpilze) sowie andere Gifte können das Gehirn schädigen indem sie dort Entzündungen und Vergiftungen verursachen.
Infekte
Zecken-Bakterien können Entzündungen nicht nur im Körper, sondern auch im Gehirn verursachen, und damit psychische Störungen auslösen. Die chronische Neuroborreliose ist eine schwere Erkrankung, verbunden mit chronischer Müdigkeit und Depression. Die Bakterien verstecken sich in den Zellen und können nicht mit antibiotischen Stoffen bekämpft werden.
Epton-Bar-Viren (EBV)
Diese Viren sind natürlicherweise im Körper vorhanden. Werden sie durch das Immunsystem nicht in Schach gehalten, können sie aktiv werden und chronische Müdigkeit und Depression auslösen.
Toxine
Organische (z.B. Pilztoxine) und anorganische (Schwermetalle) Toxine können das Gehirn auch schädigen und psychische Störungen hervorrufen.
Elektrosmog
Elektro-magnetische Belastung aus Stromleitungen, elektrischen Geräten, WiFi, Mobiltelefonnetzen
usw., hat einen Einfluss auf die Gesundheit im allgemeinen, und auch auf die psychische Gesundheit, besonders bei sensitiven Personen.
Therapeutische Lebensstilveränderungen (TLV)
Therapeutische Lebensstilveränderungen sind sehr effektiv und im Gegensatz zu Psychopharmaka haben sie keine negativen Nebenwirkungen. Man kann
die TLV folgendermassen angehen:
1.Zuerst die psychologischen, verhaltens-therapeutische TSV
2. Danach die körper-bedingten TSV
oder umgekehrt: zuerst die körper-bedingten, und nachher die psychologischen TSV
Oder beides gleichzeitig, in Zusammenarbeit mit einem integrativen Psychiater.
Die integrative Psychiatrie steckt noch in den Kinderschuhen. Bei psychischen Störungen wird heute psychiatrische und psychologische Hilfe beansprucht. Erst wenn die empfohlenen Therapien zu keinem Erfolg führen, sind Patienten bereit, auf Suche nach anderen therapeutischen Möglichkeiten zu gehen, z.B. den Weg der Lebensstilveränderungen. Der Grund: Es herrscht die die Meinung, dass nur psychogische und psycho-pharmakologische Therapien zur Heilung führen. Es ist kaum bekannt, dass Lebensstil-Faktoren psychische Störungen verursachen können.
TLV bieten Vorteile. Die therapeutischen Erfolge sind verbunden mit einer verbesserten Gesundheit: Bessere körperlichen Gesundheit und Lebensqualität sowie erhöhtes Selbstwertgefühl. Darüber hinaus sind die TLV Bewegung, Ernährung und Meditation - auch neuroprotektiv und verringern das Risiko altersbedingter kognitiver Verluste (siehe Link).
Ernährung und Diät
Tausende Publikationen belegen die Bedeutung der Ernährung für die psychische Gesundheit. Es entsteht eine neue Wissenschaft, Ernährungspsychiatrie, bei der die Ernährung einen wichtigen Teil der Behandlung darstellt.
Es ist wichtig, Nahrungsmittel zu meiden, die den Organismus und die Darmgesundheit, und damit auch die psychische Gesundheit, schädigen. Diese müssen aus der Diät eliminiert werden.
Die zwei Komponenten der Ernährung, Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel, müssen berücksichtigt werden.
Lebensmittel-Auswahl
Die Prinzipien einer hirnfreundlichen Diät:
1. Vollwertige Lebensmittel mit genügend Rohfasern, keine verarbeiteten Lebensmittel
2. Viel buntes Gemüse und wenig Obst («Regenbogen-Diät»)
3. Genügend vollwertiges Protein; Fisch, Soja, Hülsenfrüchte, wenig tierische Eiweisse aus Fleisch und Käse
4. Keine überschüssigen Kalorien
5. Ketogene Diät
6. Genügend Pro- und Präbiotika
7. Lebensmittel: Möglichst aus biologischer Herkunft, dürfen keine Toxine enthalten
Nahrungsergänzungen, Vitalstoffe, Kräuter
Nahrungsergänzungsmittel bieten wertvolle prophylaktische und therapeutische Vorteile für die psychische Gesundheit. Folgende Vitalstoffe sind von Bedeutung:
· Vitamine C,D, E und alle B-Vitamine
· S-Adenosyl-Methionin (SAMe), l-Theanin
· Omega-3 Säuren, DHA and EPA
· Magnesium, Lithium, Eisen, Zink, Selen
· Koffein, GABA, Inositol, Glutamin
· Aminosäuren: Tryptophan, Phenylalanin, Taurin, 5-HTP,
· Bioidentische Hormone
· Pflanzliche Produkte und Kräuter: Gingko, Ginseng, Aschwaganda, Curcuma, Baldrian, Rhodiola, Lavendel, Johanniskraut, CBD-Öl.
Welche der obigen Produkte für welche psychischen Störung angewendet werden, sowie ihre Dosierung hängt von der Art der psychischen Störung ab (Details in der Literatur unten).
Infekte, Toxine, elektromagnetische Strahlung
In einem ersten Schritt muss identifiziert werden um welche Infekte und Toxine es sich handelt:
In einem zweiten Schritt muss die Störung eliminiert werden, was viel schwieriger ist, insbesondere was die Bekämpfung von Bakterien und Viren betrifft. Toxine und Schwermetalle können durch Entgiftung des Körpers eliminiert werden. Die Belastung aus elektromagnetischer Strahlung muss minimiert werden.
Bewegung
Bewegung bietet sowohl präventive als auch therapeutische Vorteile. Sie wirkt therapeutisch bei Depressionen, Angstzuständen, Essstörungen, Suchterkrankungen, Autismus und ADHD, sowie auch bei chronischen Schmerzen.
Die bisher am meisten untersuchte Störung in Bezug auf Bewegung ist die leichte bis mittelschwere Depression. Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass Bewegung sowohl präventiv als auch therapeutisch wirkt und in Bezug auf den therapeutischen Nutzen mit Pharmakotherapie und Psychotherapie vergleichbar ist. Sowohl aerobes Training als auch nichtaerobes Krafttraining sind als kurz- oder langfristige Interventionen wirksam.
Bewegung hat viele neuronale Wirkungen: Erhöht das Hirnvolumen (sowohl graue als auch weiße Substanz), die Gefäßbildung, den Blutfluss und die funktionellen Hirnmaßen, die Einfluss auf neurodegenerative und psychologische Prozesse haben. Bewegung bewirkt Verbesserungen der psychologischen Funktionen, von der Verarbeitungsgeschwindigkeit bis hin zu den exekutiven Funktionen.
Stressbewältigung
Chronischer Stress ist ein grosses Risiko für alle chronischen Erkrankungen, und auch für alle psychischen Störungen. Deshalb spielt die Stressbewältigung eine grosse Rolle für die Prävention und die Therapie von psychischen Störungen.
Mehr über chronische Stressoren und ihre Auswirkungen auf die Hirngesundheit, siehe Link
Stressbewältigungsmethoden
· Spiritualität, Meditation: Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR), Metta-Meditation, Vipassana, Zen, Kirtan-Krija, transzendentale Meditation etc., auch traditionelle religiöse Praktiken können hilfreich sein.
· Mind-Body Techniken: Yoga, Qigong, Hypnose, Atmungstechniken
· Natur Erlebnisse
Guter Schlaf
Schlaf ist ein unabhängiger, sehr wichtiger Faktor für die psychische Gesundheit. Schlafmangel fördert psychische Störungen wie Depression, Nervösität, Ängstlichkeit usw.
Gutes soziales Netzwerk
Die soziale Isolation ist ein grosses Risiko für die psychische Gesundheit und ist verbunden mit depressiven Störungen. Umgekehrt wirkten sich soziale Kontakte, Fürsorge und freundliche Zuwendung heilend aus.
Meine Beratung ist kein Ersatz für Psychotherapie oder psychiatrische Behandlung die bei einer psychischen Störung nötig sind, sondern ist komplementär dazu.
In einem ersten Schritt werden die individuellen Risikofaktoren bestimmt. Dann werden die therapeutische Lebensstil-Veränderungen zusammen mit dem Klienten, realisiert.
Achtung
Falls Sie Psychopharmaka einnehmen, müssen Sie dies bei der Umsetzung der Lebensstil-Therapiemassnahmen weiterhin tun. Absetzung der Medikamente bitte nur in Absprache mit dem Psychiater.
LITERATUR
Integrative Psychiatrie und psychische Gesundheit
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R. Kellmann, Glück beginnt im Darm: Wie Sie mit der richtigen Ernährung Depressionen, Ängste und mentale Erschöpfung erfolgreich behandeln, 2018
W. Walsh, Psychische Erkrankungen anders behandeln: Gezielte Therapie mit Mikronährstoffen - natürlich und nebenwirkungsfrei, 2016
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J. Mercola, EMF - Elektromagnetische Felder: Schützen Sie sich jetzt vor den heimlichen Gefahren, die von 5G, WLAN und Mobiltelefonen ausgehen, 2020
Verschiedene psychische Krankheiten
D. Kharrazian, Was ist bloß mit meinem Gehirn los?: Wie Funktionsstörungen entstehen und was wir effektiv dagegen tun können, 2018
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Annett Oehlschläger, Stabilität kann man essen: Bausteine zum Selbstmanagement bei bipolarer Störung. Ein Ratgeber und Erfahrungsbericht für Menschen mit Manien und Depressionen, 2017
E. Bullmore, Die entzündete Seele, 2018
K. Brogan, Die Seele braucht keine Pillen: psychische Störungen ganzheitlich und ohne Psychopharmaka behandeln, 2020
Internet-Homepages, auf Englisch
https://www.walshinstitute.org